MdB Sönke Rix: Ein ganz besonderes Datum! geschrieben von Sönke Rix, MdB am 07.10.2015, 16:18 Uhr
Für die meisten war der Beginn der Deutschen Einheit am 09./10. November 1989 ein einschneidender Moment. Ähnlich wie für unsere Eltern das Kennedy-Attentat oder für die Jüngeren der Anschlag auf das World-Trade-Center, wissen wir noch ganz genau, was wir an diesem Tag gemacht haben, als die ersten Bilder einer geöffneten Mauer in den Nachrichten kamen.
Wir haben gespannt vor dem Fernseher gesessen, zwischen Hoffen und Bangen, dass der Wille nach Freiheit nicht in einem Blutbad endet.
Ostdeutschland hatte nach 1990 einen gewaltigen Transformationsprozess zu leisten. Die Deutsche Einheit führte zu enormen wirtschaftlichen, politischen und persönlichen Umbrüchen. Eine Menge persönlicher Erwartungen an die Wende konnten sich nicht schnell oder gar nicht erfüllen. Viele verloren ihren Arbeitsplatz, sie fühlten sich als Verlierer der Einheit. Ostdeutschland hinkt bei der Wirtschaftskraft und bei den Steuereinnahmen weiter deutlich hinterher. Die Arbeitslosigkeit ist höher als im Westen, die Löhne niedriger.
Dennoch: Der Aufbau Ost ist insgesamt gelungen. Das Ziel gleichwertiger Lebensverhältnisse ist in vielen Bereichen erreicht. Wir verfügen heute über eine moderne mittelständisch geprägte Wirtschaft und eine gut ausgebaute Infrastruktur. Massive Umweltschäden wurden beseitigt, die Städte wurden saniert und viele Altbauten liebevoll restauriert.
Vor 25 Jahren lag viel Freude in der Luft. Aber auch Unsicherheit über das, was der Umbruch mit sich bringt. Heute steht Deutschland angesichts der Menschen, die in unserem Land Zuflucht suchen, vor ähnlichen Herausforderungen. Die Einheit lehrt, dass wir Dinge verändern können. Diese Erfahrungen müssen wir nutzen. Stumpfe Parolen, wie „das Boot ist voll“ oder „wer soll das bezahlen“ hätten damals nicht zum Erfolg geführt und werden es auch heute nicht tun. Ansonsten muss man sich der Frage stellen, ob man bereit ist, wieder unüberwindbare Grenzen zuzulassen, und wie in einer Situation zu verfahren ist, in der immer mehr Flüchtlinge versuchen, trotzdem sicheren europäischen Boden zu erreichen.
Der Tag der Deutschen Einheit ist ein Tag der Freude. Er ist ein Tag, der wie kein anderer dazu geeignet ist, miteinander zu feiern und sich darüber zu freuen, wie gewaltfrei das Zusammenwachsen zweier komplett unterschiedlicher Gesellschaften funktioniert hat. Für viele, und da nehme ich mich nicht aus, ist die Einheit im Kopf auch zu einer Einheit im Herzen geworden. Vieles, was ich seitdem erlebt habe, wäre ohne die Ereignisse im November 89 und Oktober 90 nicht möglich gewesen, bzw. wäre nie passiert.
Und so wird der Tag der Deutschen Einheit, im Übrigen einer der wenigen nationalen Gedenktage mit einem positiven Anlass, für mich immer ein ganz besonderes Datum bleiben.
Veröffentlicht als "Bericht aus Berlin" in der "Eckernförder Zeitung" vom 07.10.2015
|