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Unser Holtsee, gehört eigentlich noch immer der Meierei ....
Trotzdem ist es unser Badesee oder war unser Badesee? Nur noch ein paar ganz Verwegene gehen regelmäßig im See baden. Von der gut besuchten Badestelle vergangener Jahre kann keine Rede mehr sein. Gut, dieser Sommer war für eine Badesaison auch nicht zuträglich, aber der eigentliche Grund ist nicht das Wetter.
Holtseer Neubürger, die in den 1970er Jahren im Seegang Häuser bezogen haben, berichten, dass der See zu dieser Zeit einer stinkenden Brühe glich. Die Abwassereinleitung der Meierei hatte ganze Arbeit geleistet.
1999 bin ich mit meiner Familie nach Holtsee gezogen. Der See war inzwischen wieder ein Kleinod. Das Wasser nicht blau, aber für einen flachen kleinen See, in einer von intensiver Nutzung geprägten Kulturlandschaft, sah er doch gut aus. Bei den Bojen im Nichtschwimmerbereich stehend, waren die Füße noch zu erkennen. Die Sichttiefe lag also im Bereich von einem 1 Meter. An einem warmen Sommer konnten Ende August auch schon mal vermehrt Algen auftreten.
Die Kinder erfreuten sich eines schönen Sandstrandes und nutzten den See den ganzen Sommer über, sobald die Sonne auch nur ein wenig länger hinter den Wolken hervorlugte. Ja, das waren noch Zeiten....
Zuerst kamen die Gänse, erst 8-9 Stück, dann immer mehr und mehr. Der Strand und die Liegewiese voller Schei...e, lecker. Aber es kam noch besser! Die eigentlich extensiv zu bewirtschaftende Wiese am Waldrand wurde mit Gülle gedüngt. Auf der Wiese unmittelbar am See Dauerbeweidung. Das Regenvorklärbecken ließ auf sich warten und und und. Wer weiß, wo noch überall die Nährstoffe herkommen, die jetzt die Probleme bereiten. Wen wundert es da, dass die Algenblüte immer früher einsetzt. Letztes Jahr kamen dann auch noch die Blaualgen (eigentlich ja Cyano-Bakterien) hinzu, deren Stoffwechselprodukte giftige Stoffe enthalten.
Dieses Jahr begann die Algenblüte bereits im April! Die durch die starke Algenproduktion verminderte Sichttiefe im See betrug im Mai bereits nur noch 50-60 cm. Zum Vergleich: Ein natürlicher, nicht überdüngter See hat eine Sichttiefe von mehreren Metern bis hin zu 10 Metern.
Zur Ursachenermittlung und zur Bestimmung des tatsächlichen Zustandes des Sees habe ich im Mai zahlreiche Wasserproben entnommen, die Sichttiefe an vielen Stellen sowie die Temperatur, den pH-Wert und den Sauerstoffgehalt in verschiedenen Tiefen gemessen. Außerdem wurde eine Sedimentprobe entnommen und die Wasser- und Sedimentproben auf Phosphor, Nitrat, Ammonium, Chlorophyll-a sowie Borat untersucht.
Nach Auswertung all der Daten nun das Ergebnis kurz zusammengefasst: Oha!
Im Detail war festzustellen[1]:
- Der in der Mitte rund 5,2 m tiefe See weist keine Schichtung auf, d.h. dass eine Durchmischung von oberflächennahen und tiefem Wasser stattfindet.
- Die Sichttiefe ist flächendeckend sehr gering.
- Die Einschränkung der Sichttiefe ist durch die starke Algenproduktion verursacht (Chlorophyll-a-Gehalt sehr hoch).
- Der Sauerstoffgehalt im See ist im Tiefenwasserbereich sehr gering. Es bilden sich Faulschlamm und teilweise Methangas.
- Der pH-Wert im oberflächennahen Wasser ist durch die Algenproduktion in den basischen Bereich verschoben, im tieferen Wasserbereich aber (vermutlich auf Grund des Grundwasserzustromes) noch im neutralen Bereich.
- Der Phosphorgehalt im Wasser ist sehr hoch. Phosphor ist der wichtigste Dünger für die Algen.
- Der Nitratgehalt ist erhöht, auf Grund der nahezu sauerstofffreien Bedingungen in der Tiefe liegt der Stickstoff dort als Ammonium vor.
- Im Sediment ist eine große Menge Phosphor gebunden.
- Zustrom von Hausabwässer oder von Deponiesickerwasser (angrenzende Schuttkuhle) war nicht nachweisbar.
Der Zustand von Seen wird nach dem Trophiegrad (Nährstoffgehalt) in 7 Klassen eingeteilt. Ein sauberer, nährstoffarmer See wird oligotroph, ein ganz stark überdüngter See hypertroph genannt. Unser See ist in die zweit höchste Trophiestufe polytroph2 einzustufen. Schlimmer geht es fast nimmer.
Die Überdüngung des Sees führt zur Algenblüte. Die Algen sinken nach dem Absterben zum Grund und werden dort zersetzt. Dabei wird der Sauerstoff im tiefen Wasserbereich verbraucht. Im sauerstofffreien Milieu wird der im Sediment gespeicherte Phosphor wieder rückgelöst und führt zur weiteren Düngung des Wassers. Dadurch können noch mehr Algen wachsen. Der pH-Wert des Wassers verschiebt sich durch die Algenproduktion immer mehr in den basischen Bereich. Das Nitrat im sauerstofffreien Wasser am Seegrund wird in Ammonium umgewandelt, bei basischen pH-Wert entsteht daraus Ammoniak. Ammoniak ist ein starkes Fischgift, was diese mit leblosem Bauch-nach-oben-Treiben quittieren. Und wenn der See noch nicht ganz gestorben ist, so geht dieser Kreislauf noch eine Weile weiter, bis wieder die stinkende Brühe aus den 1970er Jahren den Aufenthalt in Holtsee versüßt. Dann geben wir den See aber auch verbal wieder der Meierei zurück...
Wollen wir das? So ein See muss nicht sterben umkippen im Fachjargon man kann dagegen etwas tun.
-
Der Eintrag von Dünger muss vermindert, besser weitgehend unterbunden werden!
- Hierzu ist zunächst eine weitere Ursachenanalyse erforderlich wo kommt der Eintrag her?
- Und dann wird eventuell eine Änderung der (landwirtschaftlichen) Nutzung im Einzugsgebiet des Grund- und Oberflächenwassers des Sees notwendig.
-
Wenn der Düngereintrag reduziert wird, kann dann die aktive Sanierung beginnen,
- z.B. durch Absaugen des Tiefenwassers im See oder
- durch Belüftung des Tiefenwassers etc.
Sowohl die Ursachenermittlung als auch die Sanierung und die eventuell erforderliche Einschränkung der landwirtschaftlichen Nutzung (falls diese ursächlich sein sollte) kosten Geld. Wie viel, kann derzeit noch nicht abgeschätzt werden. Aber wie viel ist uns Holtseern der Badesee wert?
Hier sind sicherlich noch kontroverse Diskussionen im Gemeinderat zu führen. Spannend vielleicht auch für Sie, liebe Mitbürger: Die Sitzungen sind jedenfalls öffentlich.
Ingo Ratajczak
Anm. der Redaktion:
Der Autor ist Sachverständiger für Schadstoffe in Boden und Gewässer
[1] die wissenschaftlich korrekte Darstellung ist beim Autor in Form eines mündlichen Vortrages erhältlich.